Im Land der Eselsrücken

Lutz Bäucker, Team BR-Rad-Reisen • 4. Oktober 2023

Mit dem Fahrrad unterwegs in Okzitanien

Radfahrer haben bisher eher einen Bogen gemacht und die endlosen Weinfelder, silberschillernden Olivenplantagen und stillen Höhen links liegen gelassen. In der Region zwischen Nimes im Westen und Arles im Osten, zwischen der schluchtenreichen Ardeche im Norden und den flirrenden Sandstränden des Mittelmeeres im Süden waren bislang vor allem kilometerbolzende Rennradfahrer unterwegs und manchmal die Profis der Tour de France. Doch neuerdings finden auf den okzitanischen Landsträßchen unter schattigen Platanen immer öfter genußradelnde Radtouristen aus Deutschland ihr Glück im Sattel.Das mittlere Südfrankreich entwickelt sich zur spannenden Rad-Destination. Es muss nicht immer Toskana oder Istrien sein…


Von Lutz Bäucker, Team BR-Rad-Reisen

Es gibt sogar Radwege. Und was für welche ! Gut ausgebaut, schön breit, markant beschildert, abseits von Straßenlärm und Automobilisten-Gehabe. Ein Traum für deutsche Radler. Vom bezaubernden Provinzstädtchen Uzes zum Unesco-Weltkulturerbe Pont du Gard beispielsweise, auf der Trasse einer ehemaligen Bahnlinie, also mit mildem Höhenprofil, ein entspannter Genuß inmitten traubenreicher Felder.Die Zikaden zirpen, die helle provenzialische Sonne brennt auf die Helme . Das gleichmäßige Pedalieren wird zum mobilen Meditieren in mediterraner Landschaft. Wunderschöne riesige Schirmpinien, die von Napoleon für seine schwitzenden Landser in die Gegend gepflanzten Platanen, Akazien und knorrige Steineichen prägen das Bild.Vorbei an ockerfarbenen Bauernhäusern,mal durch dichte Wälder, mal über kahle Hochflächen mit Blick in die Unendlichkeit. Irgendwann rollt man in ein Dorf, am Marktplatz duftet es aus der Boulangerie(Bäckerei) unwiderstehlich nach frischen Croissants, hinter der Theke stehen die Baguettes fein säuberlich aufgereiht nach Typen, die staatlich festgesetzten Brotpreise beginnen bei 1,20 Euro- da schmeckt die Radlerbrotzeit mit Käse,Schinken und Oliven gleich noch besser !

Mittagsrast machen wir dann in einem Städtchen wie Goudargues. Mittendurch fließt träge das Flüsschen Ceze,links und rechts einladende Restaurants im Schatten der Platanen. „Chez Marianne“ offeriert das Mittagsmenü(„formule midi“) für 22,50: Rindercarpaccio mit Fritten und Salat,Dessert, ein Glas Wein und Cafe.Für 16,50 Euro greifen wir Radfahrer zum üppigen Salat mit Hähnchen- bon appetit! Am Nachmittag heißt es nämlich: Treten, treten,treten! Die Straße schlängelt sich gleichmäßig bergan,der Belag ist gut, der Verkehr mäßig. Die französischen Autofahrer haben noch etwas Probleme mit Radfahrern, hupen ungeduldig, riskieren unnötige Überholmanöver und schauen böse. Macht nichts, sie werden sich daran gewöhnen(müssen).Die Ebiker unter uns schalten von Stufe „Eco“ in „Tour“ und ziehen elegant den Berg hinauf.

Im Auge haben muss man aber nicht nur die Automobilisten,sondern auch die Eselsrücken. Die gibt’s in Okzitaniens Radlrevier nämlich zuhauf. Und sie sind genauso störrisch wie echte Esel. „Les dos d’ane“ nennen die Franzosen ihre massenhaft herumliegenden Verkehrsschwellen, die die zu flotten Provinzpiloten ausbremsen(sollen).“Dos d’ane“ bedeutet Rücken des Esels. Mal betoniert, mal aus schwarzgelb gestreiftem Kunststoff, mal bereits Hunderte von Metern vorab signalisiert,mal urplötzlich und unvermutet auf der Straße auftauchend. „Attention!“ kann man da nur rufen und hoffen, daß es den Fahrradbummler nicht unsanft aus dem Sattel hebt.

Ein solides Reparturset sollte man dabei haben, Werkstätten sind in der dünnbesiedelten Gegend eher rar. Pedelec -Fahrer sollten die Kapazität ihrer Akkus beachten, das Gelände ist hügelig mit manchmal richtig steilen Anstiegen(z.B. hinauf nach Les Baux oder vom Fluß Gardon auf die Hochflächen), die den Saft zügig aus den Batterien ziehen. Energieriegel und ausreichend Flüssigkeit gehören ebenso in die Packtasche wie Sonnenschutz ,Verbandszeug und – Badesachen. Jawohl.In Gardon,Ardeche und Ceze läßt es sich herrlich planschen, bei ausreichendem Wasserstand auch toll Kanu fahren.Und wer über Aigues Mortes an Flamingos vorbei bis ans Mittelmeer strampelt , findet endlos lange ,feinsandige Strände . Mit dem Bike in die Beach bar- eine feine Sache, Urlaubsfeeling pur. Liebhaber der Retro-Architektur rollen bis nach La Grande Motte: die von General De Gaulle Anfang der 1960er Jahre angeordneten Touristenburgen sind längst Kult geworden und unbezahlbar.

Von rasanten Abfahrten durch stille Eichenwälder( die Strecke vom festungsartig in der Landschaft thronenden Lussan hinunter nach Verfeuil oder die Tour-de-France- erprobten acht Kilometer von Cabrieres bis ans Flußufer bei Collias sind echte Schmankerl!) über das wohlige Sicherheitsgefühl auf den grün getünchten Radboulevards bis hin zu den Pausen in lebhaften Orten wie Saint Remy de Provence oder Sommieres- Fahrradurlaub in Okzitanien hat etwas Besonderes.Die Strecken sind nicht überfüllt, die Luft ist mild, der Rosewein süffig und das Essen sehr schmackhaft. „Les herbes de Provence“ werden nicht ohne Grund hierzulande fertig verpackt verkauft. Auf den Märkten gibt’s phantastisches Obst und Gemüse. Nur das Bier ist teuer, vor allem das richtig Gute aus Belgien. Und die Anreise aus Deutschland zieht sich gewaltig. Doch wer einmal beim Anstieg den Duft der Pinien, des Lavendels oder des Meeres eingesogen , das helle Licht des Südens gesehen hat, dem sind alle Bierpreise und Reisestrapazen egal.

Radeln über Eselsrücken macht man schließlich nicht alle Tage…

Radreise Frankreich
von Lutz Bäucker 30. Oktober 2025
Die Kykladeninsel Naxos gehört nicht zu den bevorzugten Zielen deutscher Pedaleure. Auf dem Eiland zwischen Mykonos, Amorgos und Santorin frönen Urlauber eher dem süßen Nichtstun ,Baden und Segeln, in Ausnahmefällen wird in den bis zu 1000 Metern Höhe aus dem Meer aufragenden Bergen gewandert. Radler sieht man kaum. Doch überraschenderweise finden sich ein halbes Dutzend Fahrradverleiher auf der Insel und am Hafen steht sogar eine Ladestation für Pedelecs. Das Portfolio der Verleiher ist eher auf Spaß-Biker ausgerichtet, die mit kleinen , extrem schweren „Fatbikes“ mal schnell zu den vielen wunderschönen Sandstränden sausen möchten, Bergfreunde finden mit Glück auch das eine oder andere MTB mit Stromantrieb. Auf längeren Touren über die bergige Insel geht schon mal der Saft aus, die Streckenkalkulation ist schwierig-aufgrund der nicht immer transparenten Wattstundenangaben belassen wir es lieber bei Ausflügen unterhalb der 50-km-Grenze, sicher ist sicher. Und wenn der unterschiedliche Zustand der Räder mal eine Reparatur erzwingt, dann ist Geduld gefragt. Auf Naxos zu radeln erfordert also etwas Abenteuergeist und Zeit. Doch beides wird reich belohnt. Zum „Paradies“ am Strand Etwa durch die Panoramafahrt entlang der Westküste, von den Graffiti-Ruinen auf den Felsen von Alykos weit im Süden bis hinauf zu den sanften Gestaden von Prokopios im äußersten Westen. Während wir in Alykos allein durch die geisterhaften Überreste eines geplanten Hotelbaus streifen und über die wandhohen Graffiti von Künstlern aus aller Welt staunen und rätseln, rauscht die Ägäis mit dem Wind um die Wette, Zikaden zirpen in der Mittagshitze, ein Milan kreist hoch über der Zedern-Macchia. Kleine Buchten verlocken zum Baden, auch in der Hochsaison ist hier wenig los. Auf der Küstenstraße knirscht der Flugsand unter unseren Fatbikes, wir sind froh über den eingebauten Rückenwind. Am Strand von Mikri Viglia steigen wir aus dem Sattel: hier bläst der Wind derart stark, daß sich zahlreiche Kite-Surfer in und über der Gischt wie Artisten produzieren können. Der Grieche direkt am Strand Gemächlich rollen wir weiter, über Plaka und Maragas , immer am Meer, direkt hinter den kleinen Dünen. In Maragas wird Mittagspause gemacht, die „Taverna Paradiso“ ist seit 45 Jahren in Familienbesitz, ihre Tische stehen zum Teil unter zwei uralten knorrigen Tamarisken direkt am Strand, der Blick geht hinüber zur naheliegenden Nachbarinsel Paros. Griechenland wie aus dem Bilderbuch. Der Linienbus hält vor der Taverne, die mit ihren frisch gekochten Spezialitäten den ganzen Tag über Gäste anzieht. Dolmades,der mit wohlschmeckenden,lauwarmen Inselkartoffeln servierte Naxos-Salat, die Klassiker von der gefüllten Tomate bis zum gegrillten Tintenfisch, alles lecker. Auch beim Nachbarn „Manolis“ stehen die Tische gerade mal ein paar Meter weg von der Brandung: dort lässt es sich auch herrlich entspannt frühstücken. Und bei „Spiros“ am Strand von Prokopios wird flugs die ganze Familie aktiviert, um durstige und hungrige Radfahrer im Handumdrehen zu versorgen. Gastfreundschaft ist den Griechen nach wie vor sehr wichtig. Tempel und tote Riesen Eher einsam ist es am Tempel der Demeter, der sagenhaften Göttin der Fruchtbarkeit und Landwirtschaft. Der Schwester des Zeus wurde einst in der Einöde südlich von Sangri gehuldigt, die Überreste des eindrucksvollen Tempels werden sehr ansprechend präsentiert, der Weg dorthin führt für Radler durch abgelegene Dörfer und über kurvige Sträßchen . Das gilt auch für unsere Tour hinauf in die Berge. Diese wachsen terrassenartig aus dem Inselinnern nach oben, daß der höchste Punkt genau 1001 Meter mißt, ahnt man bei der Anfahrt nicht. Man spürt die Berge aber in den Beinen . Trotz Ebike muß man ordentlich in die Pedale treten. Ein Stopp beim darniederliegenden Marmorjüngling Kouros im herrlich grünen Tal von Flerio kommt da gerade richtig. Der über fünf Meter große Riese ruht unter schattigen Platanen und Feigen, wieder zirpen die Zikaden, irgendwo plätschert es, es duftet nach Orangen und Zitronen… Ein Likörchen kann keiner verwörchen Über Melanes strampelt und schnauft das Bayern-Peloton hinauf ins Dorf Chalki, längst zum beliebten Ausflugsziel geworden. Pittoreske Gassen, viele Blumen, urige Kafenions, die bekannte Kitro-Destillerie der Familie Vallindras – Chalkli hat einiges zu bieten. Der Kitro-Likör wird aus den Blättern des immergrünen dornigen Kitro-Baum hergestellt und in drei Farbvarianten verkauft,je nach Alkoholgehalt. Stilvoll genießen ihn die Insulaner im Kitron-Cafe am Hafen von Naxos, wo es bis weit nach Mitternacht selbst an herbstlichen Abenden rund geht. Mit 60 Sachen den Berg hinab Wir gehen früher ins Bett, denn wir möchten noch die Nordküste erleben. Von der Chora, dem zitadellengekrönten Hauptort von Naxos, pedalieren wir windumtost auf kurviger Straße hoch über der brüllenden Brandung entlang. Ziegen und Schafe schauen verdutzt auf die buntgekleidete Menschenschlange,die sich schließlich auf Serpentinen hinab ins fruchtbare Tal von Engares stürzt. Der Tacho zeigt über 60 Kmh an , das Adrenalin schießt ins Blut, die Menge jauchzt. Über staubige Feldwege und durch dichte Schilfwälder hoppeln wir zum Strand von Amitis. Die dortige „Tropical-Bar“ ist nur im Hochsommer geöffnet, jetzt pfeift der Wind über den Tresen, wütend verteidigt von einem riesigen schwarzen Hund. Gottseidank hält ihn eine Kette von weiteren Aktionen ab… So können wir von der Kapelle Agios Georgios auf einer Klippe hoch überm weiten Strand aus ganz entspannt die wilden Wellen beobachten. Mit Stufe „Sport“ zur „Erleuchteten“ Auf dem Rückweg in die Chora klettern wir noch die engen Serpentinen hinauf zum Kloster Chrisostomos. Da schalten wir auf Stufe „Sport“ und lenken besonders vorsichtig. Doch die Mühe lohnt sich, das Panorama ist unbeschreiblich. Ohne Helm, mit bedeckten Schultern und Knieen betreten wir das Kloster, in dem nur noch eine Nonne die Stellung hält. „Fotini“ (dt. „Die Erleuchtete“) heißt die junge Frau, die uns die Geschichte dieser wie eine Festung an den Berg geklebten Kirchen-Burg erzählt. Ob sie denn auch mal Fahrrad fährt, will jemand von ihr wissen. Da lacht Fotini und schüttelt den Kopf: „Nein, auf Naxos radelt doch niemand. Beim Studium in Athen,ja, da nehme ich oft das Rad.“
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